Zurück aus der Ukraine

Wir freuen uns sehr, dass unser Mitarbeiter im Rettungsdienst, Christoph Dennenmoser, wieder gesund und wohlbehalten von seinem vierwöchigen Einsatz in der Ukraine zurückgekehrt ist. Er ist einem Aufruf des IKRK gefolgt, Mit der Erfahrung, die er neben seiner Tätigkeit im Rettungsdienst und Katastrophenschutz auch aus anderen Auslandseinsätzen mitbringt, wurde er vor Ort als Teamleader eingesetzt. 

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Zu seinen Aufgaben zählte: 

  • Die Koordination eines Teams von 13 Notfallsanitätern und Paramedics aus Deutschland und Israel im Auftrag des IKRK.
  • Die Durchführung von Transporten verwundeter, kranker und gehbehinderter Personen aus den Bereichen nahe der Kampfhandlungen. 
  • Verbindungsperson in der jeweiligen Delegation des Internationalen Roten Kreuzes. 

 

Wichtigste Aufgabe des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) in so einem Konflikt ist die Überwachung und Durchsetzung der Einhaltung der Genfer Konventionen. Ferner ist der wichtigste Grundsatz die Minderung menschlichen Leidens. Deshalb wurden im Rahmen dieses Einsatzes neben der Bereitstellung von Ärzten auch erstmalig Rettungswagen zum Transport Verletzter oder Kranker eingesetzt. Somit waren die Einsatzkräfte Teil eines Pilotprojekts. Die Teams waren in der Regel Israelisch-Deutsch besetzt. Die israelischen Kollegen hatten den großen Vorteil, dass sie Russisch sprechen. Untereinander wurde in Englisch kommuniziert. 

Nachfolgend ein kurzer Bericht unseres Mitarbeiters:

"Zu unserer Sicherheit war das Zustandekommen eines Transports meistens ein recht komplexer Vorgang. Hilferufe wurden meist über das Ukrainische Rote Kreuz an uns gerichtet. Dafür war der "Field Officer" des IKRK zuständig. Wenn wir signalisierten, dass wir den Transport übernehmen würden, wurde zuerst durch die Abteilung "Protection" der Abholort und die Fahrstrecke unter Sicherheitsaspekten überprüft. Auch wurde der Verantwortliche für Logistik über Erkenntnisse zur Befahrbarkeit der Straßen befragt. Wenn diese Faktoren positiv bewertet wurden, wurde durch den Leiter der Delegation der Auftrag freigegeben und wir konnten je nach dem an die Planung bzw. die Durchführung gehen.

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Die vom Aufwand her größte Herausforderung war die Organisation des Transports eines Krebspatienten, dessen Haus in einem Angriff abgebrannt war. Er hatte schon die Zusage für eine Behandlung in einer Klinik in Deutschland. Unsere Aufgabe bestand darin, ihn bis Chisinau in Moldawien zu bringen. Eine Strecke von rund 1.500 Kilometern. In drei Abschnitten mit zwei Übernachtungen konnte der Transport dann erfolgreich durchgeführt werden. Inzwischen erhielten wir auch die Nachricht, dass er gut in der Zielklinik angekommen ist. 

Natürlich ist so ein Einsatz grundsätzlich gefährlicher als der Alltag im Landkreis Waldshut. Das Rote Kreuz achtet aber schon sehr auf die Sicherheit der eingesetzten Kräfte. Es gibt regelmäßig Sicherheitsbriefings und Festlegungen, in welche Gebiete gefahren werden darf und welche für uns tabu sind. Relativ oft wurden Sirenen als Warnung ausgelöst, selten kam es dann aber tatsächlich zu Detonationen. Für uns galt der Rat, nach Erklingen der Sirenen achtsam zu sein, aber nur wenn Explosionen zu hören sind, einen Schutzraum aufzusuchen. Für mich war das in der Nacht des 9. Mai in Odessa der Fall, als von mehreren auf die Stadt abgefeuerten Raketen drei einschlugen. Zahlreiche andere waren von der Luftabwehr bereits vorher abgeschossen worden. Die Detonationen hört man nicht nur, man spürt auch die Druckwelle. Da wurde mir schon etwas unheimlich. Auch als andernorts morgens um vier zwei Missiles über uns durchzischten. 

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Überhaupt lebt man immer in einer gewissen Anspannung. Vor dem Schlafengehen habe ich immer meinen Notfallrucksack und Kleider für den Fall eines Bombenalarms bereitgelegt. In jeder Unterkunft war die erste Frage die nach dem Schutzraum.  Nach den vier Wochen war ich sehr dankbar, dass ich den Krieg hinter mir lassen konnte. Ein Vorrecht, das viele Menschen in der Ukraine nicht haben.  

Natürlich hat sich meine Frau sehr große Sorgen gemacht. Sie sorgt sich ja schon, wenn ich in ein Katastrophengebiet ohne Krieg reise. Um ihr die Sorgen ein wenig zu nehmen, haben wir mindestens einmal täglich telefoniert. Wenn irgendwelche Vorkommnisse passierten, von denen ich ausgehen musste, dass sie eventuell in den Medien kommen, habe ich extra eine Nachricht geschickt, dass es mir gut geht. Zum Beispiel nach der oben angesprochenen Nacht vom neunten auf den zehnten Mai. Das hat ihre Sorge um mich zumindest gelindert. 

Sehr berührend für mich war ein Besuch in einer großen Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Wir waren mit einem Team dort, um über eine mögliche Evakuierung zu sprechen. Die Leiterin präsentierte uns mit Stolz ein wirklich beachtliches Lebenswerk und man merkte ihr an, wie schwer ihr diese Besprechung fiel. Sie beendete die Besprechung mit dem Satz: “Ich habe jetzt nur noch zwei Instanzen, denen ich Vertrauen kann: Gott und dem Roten Kreuz.” Da blieb bei uns allen kein Auge trocken.

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Auslandseinsätze sind mir persönlich sehr wichtig, weil der Bedarf an Hilfe in Katastrophen- und Krisengebieten sehr groß ist. Und sie helfen mir dankbar zu sein, für das, was ich hier habe. Was mich an diesem Einsatz immer wieder beschäftigt ist, dass hier Menschen Menschen schaden. Eine Naturkatastrophe kann ich nicht abstellen. Aber Menschen, die gegen Menschen agieren, dafür habe ich kein Verständnis. 

Meinem Arbeitgeber, dem DRK Rettungsdienst Bad Säckingen, und meinen Kollegen bin ich sehr dankbar, dass ich für solche Einsätze freigestellt werde und die Kollegen meine Dienste mit übernehmen.

Ukraine, Auslandshilfe, Rettungsdienst